Justizreform (1746-1751)

Friedrich der Große führte mehrere wichtige Reformen durch.

Dazu zählte u. a. die Justizreform von 1746 bis 1751.

Vorgeschichte

Preußen wird immer wieder mit Bürokratie und Militarismus in Verbindung gebracht. Es stand aber auch für Liberalismus, Religionsfreiheit und das Streben nach Reformen. Kein anderer preußischer Monarch regierte das Land derart fortschrittlich wie Friedrich II. Durch ihn wurde Preußen zu einem zentralen Punkt der Aufklärung. In diesem Sinne führte Friedrich der Große, der als Repräsentant des aufgeklärten Absolutismus galt, viele bedeutende Reformen durch wie das Abschaffen der Folter oder die Justizreform.

Abschaffung der Folter

Nach dem Tode seines Vaters Friedrich Wilhelm I. hatte Friedrich II. am 31. Mai 1740 den preußischen Thron bestiegen. Der junge König verlor keine Zeit mit seinen Reformen und schaffte rasch die bis dahin übliche Folter ab. So lehnte er die Folter, die in der deutschen Öffentlichkeit mittlerweile als grausam und barbarisch galt, mit der Begründung ab, „dass es besser sei, zwanzig Schuldige freizusprechen, als auch nur einen Unschuldigen zu opfern“.

Bereits am 3. Juni 1740 verfügte Friedrich per Edikt, dass die Tortur mit Ausnahme von schwerer Majestätsbeleidigung und Landesverrat einzustellen sei. Stattdessen mussten klare Beweise und unverdächtige Zeugen für eine Verurteilung des Beschuldigten erbracht werden. Bis zur endgültigen Abschaffung der Folter dauerte es allerdings noch bis ins Jahr 1754.

Von seinem Vater übernommen hatte Friedrich II. dessen schlechte Meinung über die Justiz. Daher trachtete der junge König danach, sie so bald wie möglich zu verbessern.

Die Justizreform von 1746

Nach dem zweiten Schlesischen Krieg befasste sich Friedrich II., den die Berliner mittlerweile „den Großen“ nannten, mit einer umfassenden Rechtsreform. Als Startschuss gilt der 31. Mai 1746.

An diesem Tag wurde Preußen vom Kaiser das unbeschränkte „Privilegium de non appellando“ zum Jahr 1750 zugesprochen. Dieses Privileg bildete die staatsrechtliche Voraussetzung, um die Gerichtsverfassung zu vereinheitlichen. So fand mit ihm der reichsrechtliche Einfluss auf die Justiz von Preußen sein Ende.

Das Verhältnis zwischen Friedrich und den Advokaten war nicht einfach. So forderten zahlreiche Juristen, darunter auch der preußische Justizminister Samuel von Cocceji (1679-1755), eine höhere Besoldung der Richter. Dies stieß beim jungen Monarchen aber auf Ablehnung, weil er die Staatsausgaben nicht erhöhen wollte. Aus diesem Grund war es jedoch für die Richter weiterhin von Vorteil, wenn sich ein Gerichtsverfahren in die Länge zog, weil es für sie ein höheres Entgelt bedeutete.

Samuel von Cocceji

Der in Heidelberg geborene Samuel von Cocceji war seit 1741 Friedrichs Justizminister. Er hatte bereits unter Friedrich Wilhelm I. gedient, dem seine Ideen jedoch zu weit reichten, weshalb er ihn 1739 wieder abberufen hatte. Friedrich gefielen jedoch Coccejis Ideen, mit denen er die Richter vom Adel unabhängig machen wollte, und er setzte ihn ab 1741 wieder ein, damit er die Rechtsverhältnisse in Schlesien neu ordnete. Später sollte er das preußische Rechtssystem reformieren. Ebenso wie König Friedrich wünschte er eine baldige Verbesserung des Justizwesens.

Die Justizreform nimmt ihren Anfang

Als erste Maßnahme der Justizreform galt das Verbot des Versendens von Akten an Universitäten im In- und Ausland vom 2. April und 20. Juni 1746. Auf diese Weise sollten Kosten gespart und zugleich das Einmischen in die preußische Rechtspflege beendet werden. Diese Maßnahme war überaus wichtig, damit sich die preußische Justiz emanzipieren und unbeeinflusst arbeiten konnte.

Im Oktober 1746 ordnete Samuel von Cocceji an, dass ein Advokat vor dem Ende eines Gerichtsverfahrens keine direkten oder indirekten Zuwendungen von einer Partei annehmen dürfe. Als Grundvoraussetzung für die Rechtsfindung rückte das Ergründen der Wahrheit in den Vordergrund. Alle Beteiligten des Prozesses mussten sich dieser Ansicht unterordnen.

Die Justiz und das Volk

Im Volk herrschte eine große Skepsis gegenüber der Justiz. So waren die juristischen Laien nicht in der Lage, die Methoden der Rechtsfindung zu durchblicken. Was das Recht eigentlich war, konnten die Laien ebenfalls nicht ermessen. So hielten sie das Recht für eine Art Schicksal, das einfach über die Menschen hereinbrach.

Durch Schriften und Gegenschriften wurden die Gerichtsverfahren immer wieder künstlich in die Länge gezogen, wodurch sich letztlich der Geldbeutel der Advokaten füllte. Nicht selten verdiente ein Anwalt doppelt so viel wie ein Kammergerichtsrat. Infolgedessen herrschte im Volk ein schlechtes Bild von den Advokaten.

Auch Friedrich II. hielt sie für Leute, die der Gerechtigkeit im Wege standen, weil sie die Vernunft vernebelten. Die Richter schätzte er sogar als unfähig, inkompetent und bestechlich ein. Die Advokaten waren für ihn Gebührenschinder und Rechtsverdreher.

Mit einem Edikt vom 10. Oktober 1746 wollte Friedrich verstärkt gegen die Advokaten vorgehen. Reichte ein Advokat unbegründete Supplikationen ein, musste er seiner Partei die Kosten erstatten. Außerdem drohte ihm eine Strafzahlung in doppelter Höhe.

Schnellere Prozesse

Weiterhin erteilte Friedrich Samuel von Cocceji im Oktober 1746 den Auftrag, nach Pommern zu reisen, um dort die Justiz zu reformieren. Ziel war es, die Prozesse in Pommern zu verkürzen. Tatsächlich reichte bereits die Ankündigung dieses Vorhabens aus, innerhalb von zwei Monaten 400 alte Prozesse endlich zum Ende zu bringen.

In einer Constitution vom 31. Dezember 1746 wurden die Behörden in Pommern von Friedrich II. angewiesen, eine Richtschnur für die Übergangszeit bis zum Inkrafttreten einer neuen Prozessordnung festzulegen.

Samuel von Cocceji beklagte sich in einem Brief vom 20. Januar 1747 an König Friedrich über die Unordnung der Justiz in Pommern und wollte sogar selbst den Vorsitz übernehmen, damit die Prozesse aus dem vorherigen Jahr abgewickelt werden konnten, was Friedrich überaus erfreute.

Nach der gelungenen Reform in Pommern verlieh Friedrich II. Samuel von Cocceji den Schwarzen-Adler-Orden und ernannte ihn im März 1747 zum Großkanzler. Außerdem sollte Cocceji die gleichen Reformen in den anderen preußischen Provinzen durchführen.

Nach der Überarbeitung der Constitution vom 31. Dezember 1746 wurde sie am 6. Juli 1747 als „Projekt eines Codicis Fridericiani Pomeranici“ vorgestellt. Die Prozesse ließen sich damit in der Tat beschleunigen. Nach der Amtseinführung des neuen Regierungskollegiums in Stettin im August 1747 konnte Cocceji wieder nach Berlin zurückkehren.

Bereits am 21. August wurde dem Großkanzler die Anweisung erteilt, beim Tribunal sowie Hof- und Kammergericht in Berlin ebenfalls eine Reform wie in Pommern durchzuführen. Am 6. November konnte Cocceji auch hier dem König den erfolgreichen Vollzug melden.

Festes Gehalt für die Justizbeamten

Auch in der Mark Brandenburg wurde ab dem 3. April 1748 ein ähnliches Reformprojekt durchgeführt, bei dem es sich um eine Revision des pommerschen Projektes handelte. Dazu zählte auch die Abschaffung der Option, Ämter zu kaufen. Außerdem flossen die Sporteln von nun an dem Fiskus zu.

Ihren Lohn erhielten die Räte und Justizbeamten jetzt als festes Gehalt vom Staat. Darüber hinaus herrschten strengere Einstellungskriterien für die Räte. Diese mussten im Vorfeld drei Prüfungen erfolgreich bestehen.

Auch für die Advokaten war eine praktische Vorbereitungszeit von vier Jahren erforderlich. Ferner mussten sie eine dreitägige schriftliche Prüfung absolvieren. Weitere Bedingungen waren ein Aktenvortrag sowie eine Proberelation.

An einem Kammergericht sollten nicht mehr als zwölf Advokaten tätig sein. Andere Ämter blieben den Kammergerichtsadvokaten zunächst verschlossen, was sich erst 1771 durch den Erlass der Notariatsinstruktion änderte.

Die Prokuratoren der Kammergerichte wurden vom Prozessgeschehen ausgeschlossen, durften jedoch als Schreiber der Advokaten weiterarbeiten, um ihren Lebensunterhalt auch zukünftig bestreiten zu können. Für gute Dienste sollten die Advokaten Vergünstigungen erhalten. Advokaten oder Richtern, die sich als untauglich erwiesen, drohte dagegen die Entlassung.

Nachteile

Weil Cocceji das Problem des Justizwesens in erster Linie nicht in der geltenden Rechtsordnung, sondern in den ausübenden Personen sah, konzentrierten sich seine Reformen vor allem auf die Auslese des Personals an Richtern und Advokaten. Auch die Geschäftsführung musste streng beachtet werden.

Bei den Juristen stießen Coccejis Reformen auf wenig Gegenliebe. So waren Ärger und Spott über den Großkanzler häufig die Folgereaktion auf dessen Verbesserungen der Justiz. Auch König Friedrich selbst wurde oft von den Advokaten mit Skepsis betrachtet. Außerhalb der Justiz und Preußens fanden die Reformtaten Coccejis jedoch große Bewunderung.

Restliche Provinzen

Zwischen 1749 und 1751 wurden auch die restlichen Landesteile Preußens von Cocceji bereist und nach dem Vorbild Pommerns und Brandenburgs reformiert. Infolgedessen ließen sich die umfangreichen Mengen an alten Prozessakten abarbeiten. Richter und Advokaten, die sich als inkompetent erwiesen, mussten ihren Platz räumen und der Personalbestand reduzierte sich. Die restlichen Bediensteten der Justiz erhielten einen besseren Sold.

Fazit

Obwohl die preußische Justiz auch weiterhin mit vielen Problemen zu kämpfen hatte, waren Samuel von Cocceji einige wichtige Fortschritte gelungen wie das Einrichten einer einheitlichen Gerichtsverfassung. Sie wurde in drei Instanzen aufgeteilt. Durch das Festlegen von einheitlichen Gehältern konnten die Richter Unabhängigkeit von Adeligen und Advokaten erreichen, auf die sie zuvor angewiesen waren.

Mit dem Tribunal wurde 1748 von Cocceji eine oberste verbindliche Gerichtsbarkeit eingeführt. Alle anderen Gerichte des Landes mussten sich dieser fügen.

Ebenfalls Teil der preußischen Justizreformen waren einheitliche Straf-, Prozess- und Gefängnisordnungen, die Gewaltenteilung sowie das Einführen von staatlichen Prüfungen für Juristen. All diese Reformen wiesen den Weg Preußens von einem absolutistischen Polizeistaat zu einem aufgeklärten Rechtsstaat. Im Jahr 1781 trat zudem eine neue Zivilprozessordnung in Kraft.

Letztlich hatte Friedrich der Große mit seiner Justizreform von 1746 den Weg für einen Rechts- und Verfassungsstaat geebnet. So kam es zu einer strikten Trennung zwischen Verwaltung und Justiz. Ebenso konnten Glaubens- und Gewissensfreiheit etabliert werden.