Friedrich der Große als „Erster Diener des Staates“

Preußenkönig Friedrich der Große sah sich selbst als ersten Diener des Staates.

Doch was verstand er darunter?

Die Idee des „Ersten Dieners des Staates“

Friedrich II. galt als einer der fortschrittlichsten Monarchen seiner Zeit. So erließ er das Folterverbot, gewährleistete Religionsfreiheit und erließ Landreformen, was im 18. Jahrhundert keineswegs zu den Selbstverständlichkeiten zählte.

Nicht all seine Ideale konnte Friedrich letztlich erhalten und durchsetzen. Diese hatte er in seiner Streitschrift ‚Der Antimachiavell‘ erstmals aufgeführt, in der er seine Vorstellungen eines modernen Herrschers festlegte.

Der Antimachiavell

Als Friedrich II. seine Schrift ‚Der Antimachiavell‘* verfasste, war er 27 Jahre alt und noch Kronprinz.

Nach dem schweren Zerwürfnis mit seinem Vater, dem Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) im Jahr 1730, hatte sich der Thronfolger mit dem König einigermaßen versöhnt und sich mit dessen Erlaubnis auf das brandenburgische Schloss Rheinsberg zurückgezogen.

Dort beschäftigte sich Friedrich mit dem Gedanken, wie ein König zum Besten von Staat und Volk regieren sollte.

Zu Friedrichs Studien gehörte u. a. Machiavellis ‚Il Principe‘ – ‚Der Fürst‘*. Das Buch hatte der italienische Philosoph und Politiker Niccolò Machiavelli (1469-1527) im Jahre 1513 verfasst.

Diese bedeutende Staatsphilosophie diente noch im 18. Jahrhundert als Handbuch zum Regieren der Königshäuser.

Friedrich II. teilte die Thesen Machiavellis jedoch nicht. Darüber hinaus bezweifelte er die Aktualität des alten Buches.

Im Mai des Jahres 1739 wandte sich der preußische Thronfolger daher in einem Brief an den französischen Schriftsteller und Philosophen Voltaire (1694-1778), zu dem er seit 1736 regelmäßigen schriftlichen Kontakt pflegte.

Darin teilte er ihm mit, dass er ein Werk herausbringen wollte, dass Machiavellis politische Thesen widerlegte.

Von Voltaire wurde Friedrich später als „Philosophenkönig“ bezeichnet.

Auch seinen Beinamen „der Große“ erhielt er durch ihn.

Voltaire ermunterte den Kronprinzen außerdem, sein Werk gegen Machiavelli zu verfassen.

Bis Anfang Februar 1740 hatte Friedrich ein entsprechendes Manuskript erstellt und bat Voltaire darum, es durchzusehen.

Durch den Tod seines Vaters und seine Thronbesteigung am 1. Juni 1740 konnte sich der neue Preußenkönig seinem Werk jedoch nicht mehr genügend widmen.

Ferner befürchtete er diplomatische Komplikationen mit anderen Herrschern oder der Kirche, über die er sich in dem Buch kritisch äußerte.

Aus diesem Grund erteilte er Voltaire die Vollmacht, das Werk mit dem Titel „Der Antimachiavell“ herauszugeben und zu veröffentlichen.

Bereits im Sommer 1740 erschien es in Den Haag.

Als preußischer König bereute Friedrich mittlerweile die Veröffentlichung seines Werkes und dass man es ihm zuordnete.

Daher war das Buch ‚Der Antimachiavell‘* fast überall in Europa erhältlich, aber nicht in Preußen.

Friedrichs Idee vom ersten Diener des Staates

In seinem Buch ‚Der Fürst‘* vertrat Niccolò Machiavelli die Auffassung, dass sich Politik und Moral nicht miteinander verbinden ließen.

Daher war es den Mächtigen gestattet, Schwüre zu brechen und sich des Verrats zu bedienen, wenn diese Vorgehensweisen dabei halfen, die Macht des Monarchen zu stärken und seinen Einfluss zu erweitern.

Friedrich war mit dieser Vorgehensweise keineswegs einverstanden. Er betrachtete sie als despotische Willkür. So sah er es als Ehrensache an, wenn sich ein Fürst an die getroffenen Vereinbarungen hielt.

In späteren Jahren widersprach Friedrich jedoch seinerseits seinen eigenen Ansichten und hielt das Brechen von Verträgen unter besonderen Umständen durchaus für gerechtfertigt.

Des Weiteren stellte Friedrich die These auf, dass der Herrscher keineswegs der absolute Herr über das Volk sei. Stattdessen stelle er den ersten Diener des Staates dar.

Bis zum Ende seiner Herrschaft betrachtete sich Friedrich der Große durchaus selbst als „Ersten Diener des Staates“.

Umsetzung von Friedrichs Idee

Friedrichs These vom „Ersten Diener des Staates“ prägte seine gesamte Herrschaftszeit.

Auch die preußische Bevölkerung erkannte ihn als solchen an.

Dies traf besonders auf die Aufbauzeit nach dem Siebenjährigen Krieg (1756-1763) zu. Von 1763 bis zu seinem Tode 1786 gab der Preußenkönig alles, um sein vom Krieg gezeichnetes Land wieder aufzubauen und ihm mehr Wohlstand zu verschaffen.

Dies zeigte der „Alte Fritz“, wie man ihn nannte, auch durch seine äußere Erscheinung. So präsentierte sich der König von Preußen stets in einer einfachen, alten Hauptmannsuniform, auf der sogar Flicken zu erkennen waren.

Friedrich der Große in Widerspruch zu seinen Thesen

Nachdem Friedrich II. den Preußenthron bestiegen hatte, handelte er jedoch teilweise auch gegen seine eigenen Grundsätze.

So beklagte der junge König in seinem ‚Antimachiavell‘*, dass neue Eroberungen nur Unglück und keineswegs mehr Ruhm und Reichtum brächten. Das Volk hätte von solchen Gebietsgewinnen keinen Vorteil. Auch der Herrscher werde davon nicht glücklicher.

Doch schon im Dezember 1740 widersprach Friedrich seiner eigenen Auffassung und marschierte mit seiner Armee in Schlesien ein, um es für Preußen zu gewinnen.

Friedrich führte insgesamt drei Kriege gegen Österreich um diese östliche Provinz.

Friedrichs Umsetzung seiner Auffassungen

Dennoch setzte Friedrich der Große Teile seines Antimachiavells durchaus in die Tat um.

Für den Preußenkönig war der Antimachiavell ein Regent, der sich im Kleinen oder im Großen keine Vorteile verschaffte, sondern sich stattdessen als ersten Diener des Staates betrachtete und sich mit all seiner Kraft für Staat und Volk einsetzte.

Friedrichs politisch-philosophische Thesen waren auch für die Nachwelt von Bedeutung. So benutzten die Revolutionäre des Jahres 1848 den Spruch vom „Ersten Diener des Staates“ als Kritik an dem damaligen Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. (1795-1861).

Durch den ‚Antimachiavell‘* wurden sowohl die Fortschritte der politischen Kultur als auch ihr späterer Verfall deutlich.

Noch in der heutigen Zeit gelangt Friedrichs Kernthese vom ersten Diener des Staates bei der Beurteilung aktueller Spitzenpolitiker zur Anwendung.

Friedrichs Prinzipien in seinem politischen Testament

1752 legte Friedrich der Große in seinem politischen Testament seine Herrschaftsprinzipien, die für seinen Nachfolger bestimmt waren, dar.

Dabei sah er die erste Bürgerpflicht darin, dem Vaterland zu dienen.

Der Monarch sollte niemals in gerichtliche Verfahren eingreifen. Denn wenn die Gesetze sprachen, hatte der Herrscher zu schweigen.

Trotz seines Schweigens war der Monarch aber dazu angehalten, seine Augen offenzuhalten und über die Richter zu wachen. Im Falle von richterlicher Pflichtvergessenheit riet Friedrich zu deutlicher Strenge. Bliebe nämlich ein Verbrechen ungestraft, würde der Herrscher zum Mitschuldigen.

Religionen sah Friedrich der Große als widersinnige Fabelsysteme an, die für die Menschen gemacht waren. Um deren religiöse Gefühle nicht zu verletzen, hielt der Preußenkönig Rücksicht auf die Masse jedoch für überaus wichtig.

Sollte der Fürst selbst regieren?

Friedrich der Große erachtete es für notwendig, dass ein Staat wie Preußen in seinen inneren Angelegenheiten von seinem Herrscher selbst regiert wurde.

Gut durchdachte Maßnahmen seien wichtig, damit Politik, Armee und Finanzen das gleiche Ziel anstrebten: das Machtwachstum.

Ein solches System konnte nach Friedrichs Ansicht jedoch nur einem Herrscher entspringen.

Die meisten Fürsten würden jedoch durch Dummheit, Trägheit und Vergnügungssucht daran gehindert, sich trotz ihres edlen Berufes für das Glück der Völker einzusetzen.

Da der Herrscher als erster Diener des Staates fungierte, sollte er gut besoldet werden, wobei er werktätig für das Wohl des Staates sorgen müsse.